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Starke Kinder begleiten starke Kinder

Dass mein Sohn “weg” ist, ist nichts Neues. Aber, dass er sich gehalten fühlt und wieder kommt, das ist neu.

Rückblick: Vor 2,5 Jahren durften wir einen Einblick bekommen, wie Gemeinschaft mit Kindern der neuen Zeit – und somit auch Eltern der neuen Zeit funktionieren kann. 
Damals saß ich auf der Wiese inmitten einer Schar Menschen und habe geweint. Vor Glück. Vor Dankbarkeit. Vor Fassungslosigkeit. Allein, das ich weinend in einer Schar Menschen sitzen konnte, ohne mich zu schämen, war damals neu. Unser Sohn lernte zwischen bedürfnisorientierten Familien und Kindern damals das Rutschen. Ein älteres Mädchen hat es ihm gezeigt. Einfach so. Aus dem Spiel heraus. 
In einer Zeit, in der Spielplätze nur sonntags gefüllt- und dann gleich überfüllt sind. Kinder dürfen offenbar nur noch sonntags spielen in dieser Gesellschaft. Oder fremd betreut hinter Zäunen und Gummimatten. Bäume und Sand sind gefährlich und machen Arbeit.
Unser Sohn braucht Bäume und Sand, um sich erden zu können.

Hier sind wir nun 2,5 Jahre später. Haben heute eine erste Einladung erhalten, ob wir nicht zu einem gemeinsamen Spielplatztreffen 10 km weiter zustoßen möchten. 
Wir sind nun Gemeinschaft deutlich gewohnter. Heute musste ich nicht weinen. Heute bin ich einfach nur erfüllt von Dankbarkeit.

Wir sind angekommen und unser Sohn war weg. Tschüss Mama, Papa. Die anderen Kinder unterschiedlichen alters waren gerade dabei, einen kleinen Bolzplatz?, der geflutet und vor ein paar Tagen noch vereist war, einzunehmen. Mit den schwimmenden Eisschollen und Stücken zu spielen.
Kurz darauf kam er zurück, Füße nass.

Ja Spatz. Wenn du ins Wasser gehst, werden deine Füße nass.

Ein paar Kinder begannen, barfuß zu laufen. Unser natürlich gleich mit.

15. Februar meinte eine Frau lachend. Das Eis taut, der Sommer ist eingeläutet.
Etwa 15 Kinder. Von 8 Monaten bis 15 Jahren etwa. Eine Gruppe älterer Mädels zog sich etwas zurück. Alle anderen spielten miteinander. Die Großen achten auf die Kleinen.

Ich stand eine Weile unschlüssig herum und beobachtete argwöhnisch mein Kind. Muss ich gleich eingreifen? Braucht er mich gleich? Hat er gleich wieder seinen ersten Streit?
Ein acht jähriger Junge, hoch oben auf dem Kletterturm sagte stolz: Auf mich hört der Kleine! Während “der Kleine” sich auf den Schoß eines etwa 8 jährigen Mädchens plumsen ließ.

Hui. Was ist denn da los? Ich zog mich erst einmal zurück. Der braucht mich gar nicht. Das durfte ich erst einmal fühlen.

Wow. Kein Streit. Keine Auseinandersetzung. Ich durfte erst einmal damit klar kommen, dass mein Sohn mich nicht braucht. Keinen wütend macht, keinen umrennt, keinen mit der Schaufel schlägt.

Wo gibts denn sowas?
Da wo Kinder noch Kinder sein dürfen.

Auf dem Spielplatz spielen. Zu fünft auf der Schaukel sitzen dürfen. Babys, die Blätter essen. Zu zweit auf der Seilbahn hängen dürfen. Wo der zweijährige im Februar mit seiner Mama über die Steine im Bach hüpft.
Wo Väter nachmittags mit ihren Kleinkindern auf Seilen balancieren oder ältere Kinder 2 jährige aufs höchste Podest im Kletterbaum setzen und Äffchen ähnelnd diese auf dem Rücken wieder runtertragen.
Wo der achtjährige, auf den unser Kind hört  fragt, ob er ihn von hoch oben wieder vom Kletterturm helfen soll.
Zeig ihm gerne, wo er lang muss- den Rest schafft er. 

Sein oder Nichtsein

Die schönsten Zeiten mit meinen “Eltern” waren die, in denen ihre inneren kinder präsent waren oder sie entspannt waren.
Also eigentlich immer dann, wenn sie nicht der Meinung waren, sie oder ich “müssten” irgendwas.
Ich brauchte weder Grenzen noch Verbote noch Lob.
Natürliches SEIN dürfen und SEIN lassen sind meine schönsten Kindheitserinnerungen. 💗

Wenn wir SIND und unser Zwerg SEIN darf, ist er gerne in unserer Nähe und kooperiert automatisch. 💗

Das Leben kann so einfach sein. Sonne, schaukeln, kuscheln, fertig ✌️

Ich war am Ziel meiner Träume. Ich hatte “das große Ziel” erreicht!

Warum große Ziele in ihrer Absolution dich unglücklich machen.

Ich hatte “es” geschafft. Ich war ein schwer traumatisiertes Mädchen und habe jahrelang Therapie gemacht, um “eine gute Mutter werden zu können.” Mir war klar, dass ich eine Familie gründen wollte. So richtig altmodisch: Mama, Papa, 2 Kinder.

Mann war langer keiner in Aussicht. Aber ich war auch noch nicht bereit. Ich wollte so lange Therapie machen, bis ich fähig war, eine verantwortungsbewusste und liebevolle Mutter zu sein. Mir war klar: ich wollte nicht meine ganzen Störungen an mein Kind weitergeben. 

Während einer Tablettenumstellung vor 5 Jahren war ich in einer Tagesklinik und half liebevoll einer Zwillingsmama mit Wochenbett-Depression Tag für Tag mit ihren Babys.
Für mich waren diese Babys die größte Therapie. Diese hilflosen Würmer zeigten mir, wie gut es tat, zärtliche Verantwortung zu übernehmen.
Die Therapeutin fragte mich eines Tages: “Warum haben Sie eigentlich keine Kinder?”
Ich warf ihr meine ganzen Glaubenssätze wie ein Sprudel an den Kopf. Das ich Angst hätte, emotional zu überflutet zu sein um mich um ein Kind kümmern zu können, wie es ihm gebührt. Dass ich doch “krank” wäre,…
Sie sagte mir, dass ich über die Maßen empathisch wäre und sie sich vorstellen könnte, dass ich eine sehr liebevolle Mama wäre.
Meine Augen formierten sich zu Bauklötzen. War das das therapeutische “Go”? Das war es.
Ihre Einschätzung teilte ich. Aber war ich wirklich bereit?
Einen wunderbaren Mann hatte ich ja tatsächlich an der Seite. Verlobt. Das Geld stimmte auch, grundsätzlich wären die Voraussetzungen vorhanden.
Die Entscheidung, eine Familie zu gründen, war gefallen. Wir heirateten und über die Hochzeitsvorbereitungen fiel ich in einen Rausch an Hormonen. Ich flog förmlich. Ich schwebte über der Erde. Ich konnte meine Tabletten komplett absetzen und war dennoch stabil. Mein Wunsch, nicht schwanger zu sein an der Hochzeit, wurde nur bedingt erfüllt. Ich war schwanger, aber ich wusste es nicht. Drei Tage nach unserem Rauschenden Fest an einem See, das drei Tage lang ging, war der Test positiv. Weiter gings durchs Meer der Hormone. Ich schwebte eher auf Wolke 21 als auf Wolke 7…. jaja, die starken Emotionen… ich war auf der Zielgeraden. Meine großen Träume erfüllten sich nach 10 Jahren Arbeit an mir selbst.
Dann kam nach einer sehr schwierigen Schwangerschafts-Endphase mit ständigen Arztbesuchen und Krankenhaus-Aufenthalten endlich unser Winzling auf die Welt.
Nie hatte ich so gefühlt. Nie war ich so voller Liebe für ein Menschenwesen gefühlt. Ich dachte, mein Herz platzt. Doch es platzte nicht, die Liebe durchströmte und füllte mich.
Das große Ziel. Das Paradies. Jetzt bin und bleibe ich für immer glücklich. 
Das Schicksal zeigte mir, dass Glück nur aus einem selbst kommen kann. Das Leben gab uns den saftigsten Arschtritt ever. Unser Würmchen brüllte tagtäglich, das die Wände wackelten. Bis zu 12 Stunden.
Da waren sie wieder, die Glaubenssätze. “Siehste. Hab ich doch gesagt. Ich hätte nie ein Kind bekommen sollen. Was soll ich jetzt tun? Wenn ich zum Jugendamt gehe, werden sie ihn mir wegnehmen, weil ich zu krank bin. Ich als psychisch kranke Frau hätte niemals ein Kind bekommen sollen.
Nach außen hin lächelte ich unter Panda-Bären-Augenrändern. Mimte die glückliche Mutter. Doch ich bereute zu tiefst.
Verschiedene Menschen versuchten mich im Laufe der Zeit aufzubauen, sobald ich sie einweihte in einen Teil meiner Gedanken. “Ich als Arzt hatte auch ein Kolikbaby und ich konnte ihm nicht helfen.” “Ich als Psychologin habe ein Kind, das nicht spricht.” “Ich als Hebamme habe ein 2 Kg-Baby bekommen.” “Ich als Sozialpädagogin habe schwierige Teenager.”
Mir war der Sinn damals nicht klar. Ich konnte mit diesen Aussagen nichts anfangen. Im Heute ist mir klar: Du identifizierst dich mit dem, was du bist, was du glaubst. Und es ist völlig egal, ob das ein Helfender Beruf oder ein Stigmata ist: Du denkst, dir als, was auch immer, dürfe das nicht passieren.
Ich erholte mich nur langsam. Ich bereute lange, Mutter geworden zu sein. Paradies… pah! Von wegen!
Ich fraß mich durch Bücher, bis ich völlig verunsichert war. “Ich bin eine gute Mutter.” “Jedes Kind kann schlafen lernen.” “Jedes Kind kann Regeln lernen”. (So eine Mutter wollte ich niemals sein, flog in die Ecke.) “Emotionale Narben aus Schwangerschaft und Geburt aufarbeiten.” “So beruhige ich mein Baby” “Nein aus Liebe.” “Elterncoaching.” “Leitwölfe sein.” Das war schon eher meine Richtung. Bedürfnisorientiert auf mein Kind eingehen, war doch das, was ich wollte, was sich gut anfühlte. Worauf er auch am besten reagierte. Also beachtete ich die Bedürfnisse von meinem Baby. Wurde zur Löwenmama. Ein falsches Wort gegenüber mir oder meinem Kind und ich brüllte. Ein Löwenmama-Brüllen. Auch dem Papa gegenüber. Gemeinerweise. Er hatte es nicht leicht mit uns.
“Sollte soviel heißen wie: Halts Maul, du kennst weder mich noch mein Kind.”
Ich war bedürfnisorientiert, bis ich im Burnout war. Bis nichts mehr ging. Akku leer. Da hatte die Löwenmama sich wohl verschätzt. Bedürfnisorientiert bedeutet, die Bedürfnisse aller zu beachten. Auch und gerade die eigenen. Ups.
Nun mit leerem Akku musste ich zumindest lernen, meinem Mann zuzutrauen, ein guter Papa sein zu können. Ich war fertig.
“Sie rennen ernsthaft mit einem Schreibaby und Wochenbett-Depression 13 Monate durch die Gegend, kommen hier her und erzählen mir, Sie seien eine schlechte Mutter? Ich weiß nicht, woher Sie diese Kräfte genommen haben. Bei einer Wochenbett-Depression kriegen andere nicht mal die Füße vors Bett und Sie tragen gleichzeitig ein Schreibaby ein komplettes Jahr durch die Welt. Sie sind in Wahrheit eine Superheldin. Sie haben übermenschliches geleistet.”
Huch? Das war harter Tobak. Solche Fakten und Vergleiche zeigten mir, dass ich gar nicht schlecht oder nicht genug leistungsfähig oder zu wenig belastbar war.
Du bist was du glaubst. Diese Frau lies mich glauben lernen, eine Superheldin zu sein. Mit lieben Worten, mit dem engelhaftesten Lächeln, mit Methoden wie Hypnotherapie.
Meine Seele heilte.
Dennoch… war das nicht das Paradies. Das Glück im Außen zu suchen hat mir nichts genutzt. Selbst ein wunderbarer Mann und ein großartiger Sohn können das nicht. Und das ist auch gut so. Gerald Hüther würde sagen: “Sie haben ihren Mann und ihr Kind zum Objekt gemacht. So wie Sie es in ihrer Kindheit gelernt haben. Zum Glück haben beide Ihnen den Mittelfinger gezeigt. Auf ihre Art.”
Und genau deswegen wird ein bestimmtes Ziel niemals das Paradies bringen. Das Paradies ist in deinem Kopf und deinem Herzen. Dauerhaftes Glück erreichst du nur durch inneres Glück und inneren Frieden.